Anspruch auf Arbeitsmittel, z.B. bei Fahrradlieferanten (Rider)

Inhaltsverzeichnis

Wer muss dafür sorgen, dass Arbeitnehmer ein Fahrrad als Arbeitsmittel zu Verfügung haben?
Arbeitgeber müssen Arbeitnehmern kostenlos die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, die sie für ihre Aufgaben benötigen. Bei einem Fahrrad als Arbeitsmittel für Fahrradlieferanten, sog. Rider, ist das nicht immer selbstverständlich.
⇒Dazu folgender Fall
Ein Mitarbeiter lieferte mit einem Fahrrad Speisen und Getränke aus. Kunden konnten diese über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Die Einsatzpläne und Adressen der Kunden konnte der Mitarbeiter auf einer App ablesen, die auf einem internetfähigen Mobiltelefon installiert war.
Der Mitarbeiter nutzte zunächst sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Telefon. Später verklagte er den Arbeitgeber, ihm beides auf dessen Kosten zur Verfügung zu stellen.
Der Arbeitgeber lehnte das mit Hinweis auf den Arbeitsvertrag ab. Dort war geregelt, dass der Mitarbeiter für den Einsatz seines Fahrrades 0,25 € je gearbeiteter Stunde als Reparaturgutschrift erhielt; Reparaturen mussten dabei von Unternehmen durchgeführt werden, die der Arbeitgeber vorgab.
Des Weiteren verwies der Arbeitgeber darauf, dass der Mitarbeiter ohnehin nach dem Gesetz Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen habe.
⇒Die Entscheidung
Der Prozess lief über 3 Instanzen. Beim Arbeitsgericht verlor der Mitarbeiter den Prozess, beim Landesarbeitsgereicht und beim Bundesarbeitsgericht (BAG) gewann er.
Das BAG gab dem Mitarbeiter Recht, da er mit einem Arbeitsvertrag beschäftigt war. Es ist wesentlich für einen Arbeitsvertrag, dass jemand nach Weisungen des Arbeitgebers tätig und persönlich von ihm abhängig ist. So war es im Fall.
Da hierin das Wesen des Arbeitsverhältnisses liegt, gilt die Regel, dass Arbeitgeber die Arbeitsmittel stellen, auch für ein Fahrrad als Arbeitsmittel.
Wenn jemand dagegen mit einem Dienstvertrag beschäftigt ist, ist er nicht Arbeitnehmer, sondern Auftragnehmer. Dann ist es die Regel, dass der Auftragnehmer die Arbeitsmittel zur Ausführung von Aufträgen selbst beschafft.
Zum Unterschied zwischen Arbeits- und Dienstvertrag vgl. > Scheinselbstständigkeit
Im Fall hätte das vielleicht anders sein können, weil der Arbeitnehmer nach seinem Vertrag eine Aufwandsentschädigung für sein Fahrrad bekam. Das änderte aber nichts; denn bei einem Arbeitsvertrag sind nach dem BAG Vereinbarungen mit Arbeitnehmern, selbst für ihre Arbeitsmittel zu sorgen, nur unter engen Voraussetzungen wirksam.
Für die engen Voraussetzungen stellt das BAG einige Regeln auf:
• Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Kompensation für dessen eigene Anschaffung von Arbeitsmitteln zahlt, muss diese die dafür üblichen Kosten mindestens ausgleichen. Sie muss auch einen Zuschlag auf den Beschaffungsaufwand enthalten, anderenfalls ist die Kompensation nicht angemessen. Das BAG drückt das so aus, dass der Mitarbeiter einen Mehrwert erhalten muss.
• Auch wenn eine Kompensation mit einem Mehrwert gezahlt wird, muss es überwiegende Interessen des Arbeitgebers geben, eine Kompensation zu zahlen, statt ein Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Das Interesse muss dabei höher sein, als das legitime Interesse des Mitarbeiters, Arbeitsmittel gestellt zu bekommen.
Eine vertragliche Regelung, die ausnahmsweise dem Mitarbeiter auferlegt, sich selbst mit notwendigen Arbeitsmitteln zu versorgen, muss deshalb erkennen lassen, welche Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abgewogen worden sind.
Bezogen auf den Fall war das BAG der Meinung, dass die Regeln nicht erfüllt sind:
• Die Vereinbarung mit dem Mitarbeiter, nach der er 0,25 € Reparaturaufwand je gearbeiteter Arbeitsstunde erhielt, ist keine angemessene Kompensation. Dies schon deshalb nicht, weil der Arbeitgeber dem Mitarbeiter die Unternehmen vorgeben konnte, wo er ggf. Reparaturen vorzunehmen hatte. Der Mitarbeiter konnte keine Werkstatt seines Vertrauens beauftragen, er war so unangemessen benachteiligt.
• Zudem war er auch im Nachteil, weil er keine Möglichkeit hatte, auf dem freien Markt Ersatzteile zu kaufen und diese selbst zu montieren.
• Schließlich kommt hinzu, dass die 0,25 € je Arbeitsstunde gezahlt wurden. Hier fehlte es für eine angemessene Entschädigung zum einen daran, dass ein Reparaturaufwand nur Sinn macht, wenn er einen Verschleiß ersetzt. Es war bei dieser Vereinbarung aber nicht klar, welchen Zusammenhang es zwischen Arbeitszeit und Verschleiß geben soll. Zum anderen hätte man nur dann von einer angemessenen Entschädigung sprechen können, wenn diese auch Ersatz für einen Nutzungsausfall für Zeiten einer Reparatur vorsieht.
• Für den Einsatz eines eigenen Mobiltelefons war schließlich keinerlei Kompensation vorgesehen.
Auch das Argument des Arbeitgebers, der Mitarbeiter habe ohnehin einen gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruch, verhinderte seine Verurteilung nicht. Es gibt zwar im Gesetz diesen Anspruch, aber von ihm war im Vertrag gar nicht die Rede. Und selbst wenn dieser Anspruch im Vertrag gestanden hätte, hätte sich daraus für den Mitarbeiter keine angemessene Kompensation ergeben; denn er bekommt nach dem Gesetz nur die erforderlichen Aufwendungen erstattet. Damit ist aber gerade – im Anschluss an die Begründung oben – keinerlei Mehrwert für den Arbeitnehmer verbunden.