Arbeitsunfall bei Probearbeit – Versicherungsschutz bei der Berufsgenossenschaft?

Inhaltsverzeichnis

Es geht um die Frage, ob ein Arbeitsunfall auch bei einer Probearbeit versichert ist. Arbeitnehmer sind bei Arbeitsunfällen durch die Berufsgenossenschaft versichert. Ist das bei Probearbeit auch so?


⇒ Arbeitsunfall: Allgemeines zur Ausgangslage

Bei Arbeitsunfällen zahlt die Berufsgenossenschaft Arzt- und Behandlungskosten. Bei schlimmeren Folgen zahlt sie beispielsweise auch Pflegekosten, fördert Umschulungen oder zahlt Renten bei Erwerbsunfähigkeit.
Wenn ein Unfall kein Arbeitsunfall war, ist man über die Krankenversicherung versichert. Man könnte deshalb der Meinung sein, dass es am Ende doch egal ist, ob ein Unfall ein Arbeitsunfall ist oder nicht, denn einer zahlt ja immer.
Aber die Leistungen der Unfallversicherung können umfangreicher sein, als die der Krankenversicherung; und ähnliche Leistungen können bei der Unfallversicherung höher sein.
So zahlt zum Beispiel bei Krankheit der Arbeitgeber Lohnfortzahlung, nach 6 Wochen zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Die Berufsgenossenschaft zahlt dagegen statt Krankengeld ein Verletztengeld; das ist häufig deutlich höher.
Arbeitsunfälle sind Unfälle während der Arbeit oder auf dem Weg vom Wohnsitz zur Arbeit. Bei der Frage, ob ein Arbeitsunfall auch bei einer Probearbeit versichert ist, geht es darum, ob eine Arbeit zur Probe schon ein Arbeitsverhältnis ist. Denn die Berufsgenossenschaft bietet nur bei Arbeitsverhältnissen Versicherungsschutz.
Dazu folgender


⇒ Fall


Jemand hatte sich für einen Arbeitsplatz als LKW – Fahrer beworben. Mit dem Arbeitgeber wurde vereinbart, dass der Bewerber unbezahlt einen Tag zur Probe arbeitet. Am diesem Tag fuhr der Bewerber bei Kollegen mit und sammelte Müll ein; dabei fiel er vom LKW und erlitt Kopfverletzungen.
Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab, weil sich der Unfall an einem unbezahlten Probearbeitstag ereignete. Der Bewerber sei kein normaler Arbeitnehmer gewesen.


⇒ Die Entscheidung


Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Fall in letzter Instanz entschieden. Die Berufsgenossenschaft verlor den Prozess. Das BSG begründete seine Entscheidung so:
Auch bei einer unbezahlten Tätigkeit kann es sich um eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis handeln.
Zur Frage, was ein Arbeitsverhältnis ist, vgl.
> Crowdworker können Arbeitnehmer sein
Nach dem BSG war der Bewerber zwar nicht im Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert gewesen, dafür reichte 1 Tag nicht. Aber er war einen Tag für einen möglichen Arbeitgeber tätig, und zwar auf dessen Willen hin und in dessen Interesse. Der Bewerber ist auch nicht nur 1 Tag „mitgelaufen“; er hat eine Arbeitsleistung und damit einen wirtschaftlichen Wert für den möglichen Arbeitgeber erbracht.


⇒ Resümee


Es spricht viel dafür, dass die Entscheidung richtig ist.
Eine unbezahlte Arbeit ist kein Gegenargument gegen ein Arbeitsverhältnis. Auch in einem „normalen“ Arbeitsverhältnis gibt es unbezahlte Freizeit.
Arbeitnehmer sind wirtschaftlich und persönlich regelmäßig vom Arbeitgeber abhängig. Das war hier letztlich nicht anders, weil der Bewerber die Bitte des Arbeitgebers um einen Probearbeitstag nicht ablehnen konnte, wenn er eine Chance auf einen festen Arbeitsplatz wahren wollte.
Gegen die Entscheidung spricht auch nicht, dass der Bewerber nur 1 Tag Probearbeit leisten sollte. Unbezahlte Probearbeit von mehreren Tagen oder einer Woche sind durchaus üblich. Wo will man dann eine Grenze ziehen?