Betriebsvereinbarung Günstigkeitsprinzip

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Das Günstigkeitsprinzip beantwortet folgende Frage: Was gilt, wenn Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge zu demselben Thema verschiedene Regelungen enthalten?

⇒ Ausgangssituation

Es gibt 3 hauptsächliche Quellen, in denen schriftlich geregelt sein kann, welche Bedingungen für ein Arbeitsverhältnis gelten: Der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung.
Zu den Begriffen Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und zur Frage, wann sie in einem Arbeitsverhältnis gelten, vgl. > Arbeitsvertrag: Inhalte, Beendigung, Arten
Es gibt Unterschiede, je nachdem welche Quellen dasselbe Thema verschieden regeln:
• Wenn dasselbe Thema in einem Tarifvertrag und einem Arbeitsvertrag unterschiedlich geregelt ist, gilt das, was für Mitarbeiter günstiger ist. So ist es im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt.
• Wenn dasselbe Thema in einem Tarifvertrag und in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, gilt der Tarifvertrag. Denn immer, wenn Arbeitsbedingungen üblicherweise in einem Tarifvertrag geregelt werden, können sie nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
• Wenn dasselbe Thema in einem Arbeitsvertrag und in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, wird das Günstigkeitsprinzip angewendet. Es ist nicht in einem Gesetz geregelt. Nach dem Günstigkeitsprinzip gilt das, was für Mitarbeiter günstiger ist.

Die Beurteilung, was günstiger ist, ist aber nicht immer einfach.

Dazu folgende Beispiele:

⇒ einfach günstiger

Nehmen wir folgende Situation an: Arbeitgeber und Mitarbeiter haben in einem Arbeitsvertrag vereinbart, dass es nach einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren eine Einmalzahlung von 500 € brutto gibt. In einer Betriebsvereinbarung steht dagegen, dass es nach 10 Jahren eine Einmalzahlung von 700 € brutto gibt. Die günstigere Regelung ist hier die Betriebsvereinbarung, sie gilt.
⇒ nur teilweise günstiger, „Rosinen picken“ geht nicht
Nehmen wir an, Arbeitgeber und Mitarbeiter haben im Arbeitsvertrag 30 Tage Urlaub vereinbart. Im Unternehmen gibt es zusätzlich die Regel, nach der jeweils ein Urlaubstag wegfällt, wenn 2 Wochen Krankheit mit Entgeltfortzahlung angefallen sind. In einer Betriebsvereinbarung haben Arbeitgeber und Betriebsrat dagegen 28 Tage Urlaub vereinbart, und dass jeweils ein Urlaubstag wegfällt, wenn es 3 Wochen Krankheit mit Entgeltfortzahlung gegeben hat.
War ein Mitarbeiter 2 Wochen krank, könnte er auf die Idee kommen, unter Hinweis auf den Arbeitsvertrag mit dem Argument 30 Tage Urlaub zu fordern, dass seine Krankheit den Urlaub nach der Betriebsvereinbarung nicht verkürzt. Das wäre Rosinen picken und funktioniert nicht.
Für eine Lösung muss man die Themen zusammen vergleichen, die sachlich zusammengehören. Das sind hier die Anzahl von Urlaubstagen und die Anzahl von Krankheitstagen. Für das gesamte Unternehmen muss dazu das durchschnittliche Verhältnis beider Werte, getrennt nach der Betriebsvereinbarung und den Arbeitsverträgen, gegenüber gestellt werden. Gibt es danach sowohl Mitarbeiter, bei denen der Arbeitsvertrag zu günstigeren Ergebnissen führt, als auch Mitarbeiter, bei denen die Betriebsvereinbarung günstiger ist, ist über alle gesehen der Arbeitsvertrag nicht günstiger.
Dann gilt die Betriebsvereinbarung.

⇒ Günstigkeitsprinzip bei Sozialleistungen

Sozialleistungen sind z.B. ein zusätzliches Urlaubsgeld oder Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung. Bei ihnen ist es häufig so, dass sie nur mit bestimmten Mitarbeitergruppen im Arbeitsvertrag vereinbart sind. Wenn zu diesen Leistungen dann auch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, die für alle Mitarbeiter gilt, ergeben sich Probleme, wenn die Leistungen geringer sind. Es stellt sich dann die Frage, ob für die Mitarbeiter mit dem Arbeitsvertrag die besseren Leistungen gelten, also das Günstigkeitsprinzip, oder aber die Betriebsvereinbarung mit schlechteren Leistungen gilt. Für die Lösung wird ein sog. kollektiver Vergleich für das gesamte Unternehmen angestellt.
Nehmen wir dazu folgende Situation an: Von 100 Mitarbeitern insgesamt wird nur den 50, die im Vertrieb beschäftigt sind, nach ihrem Arbeitsvertrag ein Urlaubsgeld von 600 € gezahlt. Dann wird eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die für alle Mitarbeiter ein Urlaubsgeld von 300 € vorsieht. Hier können die Mitarbeiter im Vertrieb nicht weiterhin 600 € verlangen, sondern nur noch 300 €. Denn so hat sich die Zahlung von Urlaubsgeld über das gesamte Unternehmen gesehen nicht verschlechtert. Vor der Betriebsvereinbarung zahlte das Unternehmen 30.000 € (50×600), nach ihr zahlt es weiterhin 30.000 € (100×300).
Diese anderen Regeln des Günstigkeitsprinzips gelten bei Sozialleistungen, weil Arbeitgeber diese freiwillig zahlen. Sie sind kein Gehalt, das als direkte Gegenleistung für die Arbeit gezahlt wird. Deshalb können Arbeitgeber bei Sozialleistungen allein darüber entscheiden, wie hoch die Summe dafür insgesamt sein darf. Der Betriebsrat hat bei dieser Gesamthöhe kein Mitbestimmungsrecht. Er kann „nur“ bei der Frage mitbestimmen, wie ein vorgegebener Betrag verteilt wird.
Arbeitgeber können aber unter Berufung auf die Freiwilligkeit Sozialleistungen, die sie für eine Gruppe „ohne Wenn und Aber“ arbeitsvertraglich vereinbart haben, nicht vollständig durch eine Betriebsvereinbarung streichen, indem sie mit dem Betriebsrat die Abschaffung vereinbaren. Sie können wie im Beispiel durch eine Betriebsvereinbarung „nur“ umverteilen.

⇒ Ausschluss des Günstigkeitsprinzips

Die Geltung des Günstigkeitsprinzips kann in Arbeitsverträgen ausgeschlossen werden.
Es heißt dann häufig nicht sofort verständlich: Die im Arbeitsvertrag gewährten Leistungen können durch Betriebsvereinbarungen abgelöst werden o.ä.. Vereinbarungen dieser Art sind im Prinzip wirksam; Fehler bei der Formulierung können sie aber unwirksam machen.