Es geht hier insbesondere darum, wie sich Ausschlussfristen bei Gehaltsansprüchen auswirken.
Ausschlussklauseln in einem Arbeitsverhältnis beinhalten Ausschlussfristen, in denen Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen müssen. Nach Fristablauf können sie keine Ansprüche mehr geltend machen, vorausgesetzt, die Ausschlussklauseln sind wirksam.
Die Fristen sind selten länger als 3 Monate, damit verkürzen sie gefährlich die gesetzlichen Verjährungsfristen. Denn nach dem Gesetz verjähren Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis in drei Jahren. Wenn es um Geldansprüche geht, kann es daher besonders unangenehm werden.
Ausschlussfristen finden sich in Arbeitsverträgen oder auch in Tarifverträgen. Für den Umgang mit diesen Fristen kann es dabei einen Unterschied machen, wo die Ausschlussfristen stehen. Dazu im Folgenden 2 Beispiele:
⇒ Fall: Die Ausschlussfrist steht im Arbeitsvertrag
Ein Arbeitnehmer war mit einem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2016 beschäftigt. Er war 2018 einen Monat krank, sein Arbeitsverhältnis endete am Ende desselben Monats. Für den letzten Monat erhielt er kein Gehalt. 4 Monaten nach dem Ende verlangte er vom Arbeitgeber sein Gehalt für den letzten Monat.
Der Arbeitgeber zahlte nicht, er verwies auf den Arbeitsvertrag. Dort stand: Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
⇒ Die Entscheidung im Fall
Der Prozess lief über 3 Instanzen. In der letzten Instanz beim Bundesarbeitsgericht (BAG) gewann der Arbeitnehmer den Prozess.
⇒ Abwandlung des Falles: Die Ausschlussfrist steht in einem Tarifvertrag
In einem Tarifvertrag war geregelt, dass Ansprüche nach 3 Monaten verfallen.
Zur Frage, wann Tarifverträge in einem Arbeitsverhältnis gelten, vgl.
> Arbeitsvertrag: Inhalte, Beendigung, Arten
⇒ Die Entscheidung in der Abwandlung des Falles
Das BAG verurteilte den Arbeitgeber zwar nicht zur Zahlung des Monatsgehaltes, aber zur Zahlung eines Gehaltes in Höhe des Mindestlohnes nach dem sog. Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG).
⇒ Warum sind die Ergebnisse unterschiedlich?
• Im Fall
war der Arbeitnehmer einen Monat krank; deshalb hatte er zunächst einmal Anspruch auf Lohnfortzahlung wegen Krankheit in Höhe seines Monatsgehalts. Dieser Anspruch war aber nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel nach 3 Monaten verfallen. Es ging also um die Frage, ob die Ausschlussfrist wirksam war.
Für das BAG spielte bei seiner Entscheidung eine wichtige Rolle, dass am 31.12.2014 das MiLoG in Kraft getreten war. Das Gesetz regelt, dass kein Stundenlohn niedriger als der gesetzliche Mindestlohn sein darf.
Deshalb urteilte das BAG: Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen sind für Zahlungsansprüche ab dem 01.01.2015 nur wirksam, wenn ausdrücklich in der Vertragsklausel steht, dass keine Zahlungsansprüche nach dem MiLoG verfallen. Das heißt, alle vereinbarten Ausfallfristen in Arbeitsverträgen, die ab dem 31.12.2014 abgeschlossen wurden, müssen diese Ausnahme enthalten; sonst sind sie unwirksam.
Wäre der Arbeitsvertrag also bis zum 30.12.2014 geschlossen worden, wäre die Klausel im Fall wirksam gewesen, und der Arbeitnehmer hätte im Jahre 2018 kein Recht auf sein Monatsgehalt gehabt. Er hätte aber auf jeden Fall für seine Arbeitsstunden für diesen Monat den Mindestlohn bekommen, denn 2018 gab es das MiLoG.
Am Ende spielte das aber keine Rolle, weil der Arbeitsvertrag erst 2016 vereinbart worden war, und die Ausschlussfrist nicht ausdrücklich regelte, dass Mindestlohnansprüche nicht verfallen; also war sie unwirksam.
Im Übrigen kann der Unterschied zwischen einem Anspruch auf das vertragliche Gehalt und dem Anspruch auf Mindestlohn groß sein. Der Mindestlohn beträgt Stand Oktober 2022 12,00 € brutto je Arbeitsstunde.
• In der Abwandlung des Falles
stand die Ausschlussklausel nicht im Arbeitsvertrag, sondern in einem Tarifvertrag. In dem Falle sind Klauseln wirksam, auch wenn nicht ausdrücklich geregelt ist, dass Mindestlohnansprüchen nicht verfallen. Bei einem Tarifvertrag ist es gleichgültig, ob die Verfallrist vor oder nach dem 31.12. 2014 aufgenommen wurde.
Aber auch bei einem Tarifvertrag gibt es ab 2015 immer den Mindestlohn! Also war in der Abwandlung des Falles die Verfallfrist im Tarifvertrag wirksam, und der Mitarbeiter hatte kein Recht auf sein Monatsgehalt; aber ihm stand der Mindestlohn zu.
Voraussetzung für dieses Ergebnis ist allerdings immer, dass ein Tarifvertrag auf ein Arbeitsverhältnis angewendet werden kann – siehe oben-. Für Mitarbeiter ist in diesem Zusammenhang auch wichtig zu wissen, dass sie Tarifverträge, die bei ihrem Arbeitgeber gelten, kennen müssen. Was das bedeutet, ist auch unter dem obigen Link erklärt.
⇒ Konsequenzen
Für Arbeitgeber: Die Arbeitsverträge müssen überprüft und ggf. angepasst werden. Sollen Ansprüche auf das vertragliche Gehalt mit Ausschlussklauseln verhindert werden, müssen die Klauseln ergänzt werden, z.B. Diese Ausschlussklausel gilt nicht für Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz (MiLoG).
Für Arbeitnehmer gilt wie immer: Bestehenden Arbeitsvertrag lesen, bei neuem Arbeitsvertrag genau hinsehen. Wenn ein Tarifvertrag gilt, Tarifvertrag lesen.