offene Handelsgesellschaft: Prokuristenhaftung bei unzulänglicher Organisation

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Ein Thema für die Gesellschafter und Vertragspartner einer offenen Handelsgesellschaft (oHG): Wer kann für eine oHG wirksam Verträge abschließen? Wer haftet bei der oHG für die Erfüllung von Verträgen und bei Schadensersatzansprüchen? Was sind die Folgen einer fehlerhaften Bestellung zum Prokuristen? Was bedeutet Pflicht zu einer Wissensorganisation?


⇒ Wer kann für die oHG Verträge abschließen


Die gesetzlichen Regeln (§ 125 Handelsgesetzbuch HGB) sehen dazu Folgendes vor: Die oHG handelt durch ihre Gesellschafter. Jeder Gesellschafter vertritt die oHG allein.
Im Gesellschaftsvertrag kann dies anders geregelt werden. Eine andere Regel kann u.a. sein, dass nur zwei oder mehr Gesellschafter gemeinsam oder ein Gesellschafter allein die oHG vertreten können; das sind dann die sog. geschäftsführenden Gesellschafter.
Die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag auch vereinbaren, dass ein geschäftsführender Gesellschafter nur gemeinsam mit Prokuristen die oHG vertreten kann. Dazu muss ein Prokurist bestellt und die Prokura muss im Handelsregister eingetragen werden. Die Bestellung muss durch sämtliche geschäftsführenden Gesellschafter erfolgen.


⇒ Kann ein Prokurist mit Bindung für die oHG handeln, wenn es Fehler bei seiner Bestellung gab


Wenn nicht alle geschäftsführenden Gesellschafter den Prokuristen bestellt haben,  kann diesert dennoch wirksam für die oHG Verträge abschließen. Dasselbe gilt, wenn eine Prokura nicht im Handelsregister eingetragen wurde. Denn Vertragspartner der oHG können jedenfalls dann auf den Rechtsschein vertrauen, wenn jemand als Prokurist auftritt und sie keine Kenntnis von Fehlern bei der Bestellung haben.


⇒ Widerruf einer Prokura


Wird die Prokura im Handelsregister eingetragen und danach durch die Gesellschafter widerrufen, muss auch der Widerruf eingetragen werden. Das gilt auch dann, wenn bereits vorher versäumt worden war, die Bestellung zum Prokuristen einzutragen.
Unterbleibt die Eintragung eines Widerrufs, kann der Prokurist dennoch wirksam für die oHG Verträge abschließen. Die Gründe sind dieselben wie bei Fehlern der Bestellung.
In Zusammenhang mit Fehlern bei der Bestellung zum Prokuristen oder beim Widerruf einer Prokura kann es unliebsame (Haftungs-) Risiken für die Gesellschafter einer oHG geben.


⇒ Fehler bei der Erteilung oder beim Widerrug einer Prokura, Pflicht zur Wissensorganisation


Dazu folgender Fall: Ein nicht ordnungsgemäß bestellter oder abberufener Prokurist verhandelt allein mit einem Geschäftspartner und macht Zusagen für die Bereitstellung eines Caterings auf einem Messestand; es kommt zu einem entsprechendne Auftrag für die oHG. Intern gibt der Prokurist den Auftrag weder an geschäftsführende Gesellschafter noch Mitarbeiter:innen weiter, weil er den Erfolg im Interesse seines eigenen Ansehens erst bei passender Gelegenheit verkünden wollte. Zum Zeitpunkt der Messe stand das Catering nicht zur Verfügung, der Geschäftspartner forderte 80 T € Schadensersatz von der oHG, weil er sich anderweitig Catering Dienste sichern musste.
Der Geschäftspartner kann sich auf die Vereinbarung mit dem Prokuristen berufen, wenn er keine Kenntnis von Fehlern bei der Bestellung oder beim Widerruf hatte. Denn die oHG muss sich das Wissen dieses Prokuristen zurechnen lassen; sie hat eine Pflicht zur Wissensorganisation. Jede Organisation, die am geschäftlichen Rechtsverkehr teilnimmt, muss sicherstellen, dass sie ihre Verpflichtungen einhält. Dazu muss sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) organisatorisch gwwährleisten, dass Informationen zu vertraglichen Verpflichtungen festgehalten, weitergegeben und im konkreten Fall abgefragt werden können.
Da diese Verpflichtung für jede Organisation gilt, ist sie auch ein Compliance Thema.


⇒ Umfang der Haftung einer oHG


Für Verbindlichkeiten der oHG haften sie selbst und ihre Gesellschafter als Gesamtschuldner, das heißt, der Gläubiger kann gegenüber jedem einzelnen Schuldner die gesamte Forderung geltend machen.
Bei einem Schadensersatzanspruch gegen die oHG wie im Fall ergeben sich keine weiteren Fragen.
Bei einem Erfüllungsanspruch ist das nicht so klar: Hätte der Gläubiger im Fall von einem Gesellschafter auch die Erfüllung der Catering Leistung statt Schadensersatz verlangen können; oder hätte sich ein in Anspruch genommener Gesellschafter darauf berufen können, er habe doch gar nicht das Know-How und die Möglichkeiten dazu, das könne doch nur die oHG selbst leisten?
Die Antwort richtet sich danach, ob dem Gesellschafter eine Erfüllung praktisch möglich wäre; wenn nicht, haftet er „nur“ auf Schadensersatz. Im Fall wird man eine Erfüllung für möglich halten müssen: Der Gesellschafter könnte die oHG zur Erfüllung bewegen oder eine Catering Leistung anderweitig einkaufen.
Wenn nach einem geschlossenen Vertrag der oHG ein neuer Gesellschafter in die oHG eintritt, haftet dieser genauso wie die Altgesellschafter.