Wann beweist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Krankheit?

Inhaltsverzeichnis

Ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung immer Krankheitsbeweis?

⇒ Ausgangslage – die allgemeinen Regeln

Arbeitnehmer müssen die AU spätestens nach 3 Kalendertagen vorgelegen, Arbeitgeber können die AU aber früher verlangen.
Mitarbeiter müssen ihre Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Bescheinigung (AU) nachweisen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein Krankheitsbeweis, den Arbeitgeber im Regelfall akzeptieren müssen. Dagegen können sie insbesondere nicht argumentieren, Ärzte seien ja häufig auf die Angaben der Patienten angewiesen, und sie könnten deshalb letztlich eine Krankheit nicht überprüfen.
Wenn Arbeitgeber Zweifel haben, ob Mitarbeiter tatsächlich krank sind, haben sie zwei Möglichkeiten: Sie können von der Krankenkasse verlangen, dass Mitarbeiter beim ärztlichen Dienst untersucht werden; diese Möglichkeit ist selten hilfreich, weil es zu lange dauert, bis Krankenkassen reagieren.
Die andere Möglichkeit ist, dass Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit keinen Lohn zahlen; Mitarbeiter müssen dann den Lohn einklagen. In diesem Prozess ist die Ausgangssituation für Arbeitgeber meistens ungünstig. Denn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein Krankheitsbeweis, auf den sich Mitarbeiter erst einmal berufen können. Arbeitgeber müssen Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die gegen eine Krankheit sprechen.
Aber eine AU beweist nicht immer eine Krankheit. Wenn das so ist, müssen Mitarbeiter in einem Prozess Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die für eine Krankheit sprechen. Dazu folgender

⇒Fall

Eine Arbeitnehmerin hatte ihr Arbeitsverhältnis mit der richtigen Frist am 08.02. zum Ablauf des 22.02. gekündigt. Sie ging noch am 08.02. zum Arzt. Der stellte eine AU bis zum 22.02. aus. Die Arbeitgeberin zahlte vom 08.02. – 22.02. kein Gehalt. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin.
Sie begründete ihre Klage damit, dass ihre Krankheit durch die AU bewiesen sei. Im Übrigen habe sie vor einem Burn – Out gestanden.
Die Arbeitgeberin wehrte sich mit dem Argument, mit dieser AU sei keine Krankheit bewiesen. Denn die Arbeitnehmerin habe am 08.02. einem Kollegen gesagt, dass sie in in ihrer Arbeit keinen Sinn sähe. Im Übrigen habe die Diagnose der AU auf „sonstige nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ gelautet (die Diagnose ist aus dem Code auf einer AU abzulesen), daraus könne sich keine Krankheit von 2 Wochen ergeben. Schließlich habe die AU punktgenau den Zeitraum von der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erfasst.

⇒Die Entscheidung

In der ersten und zweiten Instanz, beim Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG), gewann die Arbeitnehmerin den Prozess. Beide Instanzen waren der Ansicht, das Gespräch der Arbeitnehmerin mit einem Kollegen spreche nicht gegen eine Krankheit. Denn sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihrem Kollegen von einer Krankheit zu erzählen. Und ihre Aussage, nach der die Arbeit keinen Sinn mehr mache, könnte sich auf die Kündigung bezogen haben und nicht auf die Krankheit. In der dritten Instanz beim Bundesarbeitsgericht (BAG) verlor die Arbeitnehmerin den Prozess.
Das Gericht argumentierte: Das Gespräch mit einem Kollegen spielt für den Prozess keine Rolle. Allein die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitszeit genau den Zeitraum von der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses umfasste, reicht schon für die Annahme aus, dass die Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise kein Krankheitsbeweis ist. Deshalb musste die Arbeitnehmerin konkreter vortragen, weshalb sie krank gewesen sei. Darauf wurde sie auch im Prozess hingewiesen, hat aber auf die Hinweise nicht reagiert.

⇒Resümee

Vielleicht hätte die Arbeitnehmerin den Prozess gewonnen, wenn sie die Hinweise, ihr Vortrag zu einer Krankheit sei zu allgemein, ernster genommen hätte. Hinweise im Prozess sind sorgfältig zu beachten.
Das BAG hat es auch schon in der Vergangenheit abgelehnt, in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheindigung einen Krankheitsbeweis zu sehen. Dabei ging es um folgende Fälle:
• Bei einer AU, die rückwirkend über mehr als zwei Tage ausgestellt wird. Rückwirkende AU´s kann man    darüber hinaus immer in Frage stellen.
• Bei einer AU, die als Folgebescheinigung ausgestellt wurde, obwohl es keine Erstbescheinigung gab.
• Bei einer AU, die abends kurz vor Feierabend von Angehörigen abgegeben wurde, nachdem der    Arbeitgeber im Verlaufe des Tages vergeblich versucht hatte, den Arbeitnehmer zu erreichen.
• Bei einer AU, die vorher angekündigt wurde.
• Bei einer AU, die in direktem Anschluss an einen Auslandsurlaub ausgestellt wurde, nachdem das    mehrfach geschehen war.
Die Überlegung muss immer sein, ob es zweifelhafte Umstände in Zusammenhang mit einer AU gibt. Dann können die Arbeitgeber eine Lohnforzahlung Lohnfortzahlung verweigern.
Wenn Arbeitnehmer dagegen klagen, und wenn das Gericht auch zweifelhafte Umstände sieht, müssen sie im Prozess konkrete Angaben zu ihrer Krankheit machen. Ggf. müssen sie auch ihren Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden.
Wenn Mitarbeiter während einer bescheinigten AU bei anderen Arbeitgebern arbeiten, kann auch eine fristlose Kündigung möglich sein; das kann aber für Arbeitgeber auch schief gehen.
Dazu > Fristlose Kündigung wegen Nebenbeschäftigung bei Krankheit