Einigungsstelle Verfahren

Inhaltsverzeichnis

Das Verfahren der Einigungsstelle spielt eine Rolle, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht über ein Thema einigen können, bei dem der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat.
Es geht im Folgenden darum, wann eine Einigungsstelle gebildet werden muss, welche Folge eine Entscheidung einer Einigungsstelle hat, und wie das Verfahren einer Einigungsstelle ablaufen muss. Es wird auch kurz auf Betriebsvereinbarungen eingegangen, weil sie aus denselben Gründen unwirksam sein können, wie die Entscheidung einer Einigungsstelle.

⇒ Bildung einer Einigungsstelle

Eine Einigungsstelle muss gebildet werden, wenn ein Thema geregelt werden soll, bei dem der Betriebsrat mitbestimmen muss, dieser und Arbeitgeber sich aber nicht einigen können.
Zu den Möglichkeiten des Betriebsrates bei Mitbestimmungsrechten vgl. > Erfassen der Arbeitszeit
Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat können dann die Bildung einer Einigungsstelle verlangen. Können sie sich dabei nicht darauf einigen, wie groß die Einigungsstelle sein soll (Anzahl der sog. Beisitzer), oder wer der Vorsitzende der Einigungsstelle sein soll, muss das Arbeitsgericht entscheiden. Arbeitgeber oder Betriebsrat haben dabei das Recht, zu klagen.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben in einer Einigungsstelle dieselbe Anzahl von Beisitzern.
In einem Tarifvertrag kann geregelt sein, dass keine Einigungsstelle, sondern eine sog. tarifliche Schlichtungsstelle über Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entscheidet.
Zur Frage, wann ein Tarifvertrag gilt, vgl. > Arbeitsvertrag Inhalte, Beendigung, Arten

⇒ Verfahren einer Einigungsstelle

Eine Einigungsstelle wird immer versuchen, ein Ergebnis einvernehmlich mit Arbeitgeber und Betriebsrat zu finden. Wenn das nicht gelingt, stimmt die Einigungsstelle ab und entscheidet durch einen Spruch; dabei gilt die Mehrheitsentscheidung.
Bei der Abstimmung hat der Vorsitzende zunächst kein Stimmrecht. Erst wenn die Beisitzer keine Mehrheitsentscheidung zustande bringen, stimmt er mit ab.
Ein Spruch der Einigungsstelle ist nur wirksam, wenn er schriftlich abgefasst ist.
⇒ Folgen der Entscheidung einer Einigungsstelle
Der Spruch der Einigungsstelle ist für Arbeitgeber und Betriebsrat verbindlich. Beide können aber wiederum beim Arbeitsgericht gegen den Spruch klagen, wenn sie ihn für rechtswidrig halten.

⇒ Dazu ein Fall

Nach 16 (!) Sitzungen kam es zu einem Spruch einer Einigungsstelle. Der Vorsitzende der Einigungsstelle unterschrieb den Spruch am 1.10. und leitete ihn dem Betriebsrat zu, allerdings ohne 5 Anlagen, auf die im Spruch Bezug genommen wurde. Der Arbeitgeber erhielt keine Unterlage.
Der Vorsitzende holte dies am 2.1. nach; er heftete 5 Anlagen an den unterzeichneten Spruch und leitete das Paket an den Betriebsrat und an den Arbeitgeber weiter.
Der Arbeitgeber klagte gegen den Spruch, weil das Verfahren der Einigungsstelle Fehler aufweise. Er gewann den Prozess beim Bundesarbeitsgericht (BAG).

⇒ Die Entscheidung

Das BAG entschied, das vorgeschriebene Verfahren der Einigungsstelle sei nicht eingehalten worden, weil der Spruch nicht schriftlich abgefasst war.
Damit die Schriftform eingehalten ist, muss der Vorsitzende den Spruch unterschreiben und ihn gleichzeitig und vollständig mit allen Anlagen an den Betriebsrat und den Arbeitgeber weiterleiten.
Als der Spruch am 1.10. dem Betriebsrat übermittelt wurde, fehlten aber die Anlagen. Dem Arbeitgeber war am 1.10. nichts übermittelt worden. Damit war der Spruch unwirksam.

⇒ Resümee

Die Entscheidung ist auch für Betriebsvereinbarungen wichtig, weil sie auch schriftlich abgeschlossen werden müssen.
Das Thema hat große praktische Bedeutung: Ist die Schriftform nicht eingehalten, sind Betriebsvereinbarungen oder der Spruch einer Einigungsstelle unwirksam. Das hat beispielsweise zur Folge, dass geregelte Kündigungsfristen nicht beachtet werden müssen; der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nicht die Unterlassung von Maßnahmen verlangen, wenn er damit gegen Regelungen verstößt; Mitarbeiter müssen sich nicht an die Regeln halten. Jeder Prozess wegen eines Verstoßes gegen Regeln ist aussichtslos, weil Gerichte Fehler bei der Schriftform nicht heilen können
Es reicht für die Einhaltung der Schriftform, wenn im unterzeichneten Einigungsstellenspruch eindeutig auf Anlagen verwiesen wird, und wenn diese entweder fest mit dem Einigungsstellenspruch verbunden oder selbst unterzeichnet werden. Für eine Unterzeichnung von Anlagen reicht es auch, wenn sie paraphiert werden.
Auf Anlagen wird eindeutig verwiesen, wenn sie mit einem Datum oder mit der Angabe einer Fassung 1, 2 … genau bezeichnet sind. Die Anlagen können auch selbst auf einen Einigungsstellenspruch (oder eine Betriebsvereinbarung) zurückverweisen. Ob ein eindeutiger Verweis vorliegt, kann auch ein Problem sein, wenn Anlagen nicht durchnummeriert sind. Im Fall fehlte es auch daran.
Einigungsstellenvorsitzenden sollte man „auf die Finger schauen“.
Bei Betriebsvereinbarungen sollte man insbesondere auch bei Änderungen aufpassen. Dort sollte genau stehen, die Änderung a b c gilt ab dem Datum . . .; oder auch, die Betriebsvereinbarung gilt ab dem Datum . . . mit der neuen Anlage a b c.
Um eine Betriebsvereinbarung handelt es sich immer dann, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat über Angelegenheiten der Mitbestimmung eine schriftliche Vereinbarung schließen. Deshalb ist es auch eine Betriebsvereinbarung, wenn die Vereinbarung Haustarifvertrag, Betriebsordnung oder ähnlich heißt.
Zur Verbindlichkeit von Betriebsvereinbarungen vgl. > Betriebsvereinbarungen – Günstigkeitsprinzip