Wann und in welcher Höhe müssen Überstunden bezahlt werden?

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Es geht um die Frage, wann und in welcher Höhe Überstunden bezahlt werden müssen? Überstunden sind die Arbeitsstunden, die über die im Arbeitsvertrag (AV), in einer Betriebsvereinbarung(BV) oder in einem Tarifvertrag(TV) vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet werden.
Zur Frage, wann eine BV gilt > Betriebsvereinbarung Günstigkeitsprinzip
Zur Frage, wann ein TV gilt > Arbeitsverträge: Inhalte, Beendigung, Arten

⇒ Zum Einstieg folgender Fall

In einer BV war Folgendes geregelt: Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Überstunden leisten, erhalten als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr. Die anderen Beschäftigten haben dagegen für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30 Prozent Überstundenzuschlag) beziehungsweise auf eine entsprechende Überstundenbezahlung.
Ein Gewerkschaftssekretär klagte auf Bezahlung seiner Überstunden. Der Arbeitgeber lehnte ab, weil in der BV vereinbart sei, dass es als Ausgleich für Überstudnden neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr gebe.

⇒ Grundsätzlich: Wann müssen Überstunden bezahlt werden?

 In einem Prozess muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, wann er Überstunden geleiset hat, und welche Arbeit er in diesen Stunden erbracht hat; er muss zusätzlich beweisen, dass der Arbeitgeber diese Überstunden veranlasst hat. Ein Arbeitgeber hat in diesem Zusammenhang Überstunden veranlasst, wenn er sie entweder angeordnet, gebilligt oder geduldet hat. Der Arbeitnehmer kann diesen Beweis auch führen, wenn er nachweist, dass der Arbeitgeber ihm konkrete Arbeiten angewiesen hat, und dass seine Überstunden notwendig waren, um die Arbeiten erledigen zu können.
 Wenn es im AV oder in einer BV oder in einem TV keine Regelung zu Überstunden gibt, sind Überstunden in folgenden Fällen zu bezahlen:
> Wenn in der Branche, in der Sie arbeiten, üblicherweise Überstunden bezahlt werden.
Ob eine Bezahlung üblich ist, kann sich insbesondere aus TV´en ergeben, die es in Ihrer Branche gibt. Da es darum geht, was üblich ist, gilt das auch, wenn diese TV´e für Ihren Arbeitgeber nicht gelten. (Zur Geltung von TV´en vgl. den Link oben).
> Wenn Kollegen im Betrieb üblicherweise Überstunden bezahlt bekommen.
Dann kann sich aus der Verplichtung des Arbeitgebers, Mitarbeiter gleich zu behandeln, ergeben, dass Überstunden zu bezahlen sind. Dabei kommt es aber immer darauf an, dass diejenigen, die Stunden bezahlt bekommen und diejenigen, die sie nicht bezahlt bekommen, vergleichbar sind.
 Monatsgehälter oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze
Bei einem monatlichen Bruttogeahlt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung ist es nicht üblich, dass Überstunden bezahlt werden. In dieser Gehaltsklasse kann es eine Bezahlung von Überstunden deshalb nur wegen einer Pflicht zur Gleichbehandlung geben.
Die Beitragsbemessungsgrenze kann sich jährlich ändern; sie liegt im Jahr 2022 bei 7050,00 € brutto mtl. (West) bzw. 6.750,00 € brutto mtl. (Ost).
 Wenn im AV oder in einer BV oder in einem TV geregelt ist, dass Überstunden mit dem Monatslohn abgegolten sind (oder ähnlich).
Bei diesen Regelungen müssen Überstunden bezahlt werden, weil sie unwirksam sind. Denn es ist nicht klar, wann Überstunden anfallen und wie viele Überstunden anfallen können. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) drückt das so aus: Ein Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was auf ihn zukommt.
Wenn deshalb eine solche Vereinbarung unwirksam ist, gilt als Konsequenz dasselbe, als ob nichts geregelt wäre; siehe oben.
 Wenn im AV oder in einer BV oder in einem TV geregelt ist, dass die ersten zwanzig Überstunden im Monat mit dem monatlichen Gehalt abgegolten sind (oder ähnlich), ist diese Regelung wirksam. Denn diese Reelung ist klar und verständlich.
Komplizierter wird es, wenn in solchen Regelungen vorsehen ist, dass mehr als zwanzig Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind. Teilweise wird sogar vereinbart, dass 30 oder 40 oder . . . Überstunden im Monatsgehalt enthalten sind. Hier gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob diese Regelung dann auch wirksam ist. Es gibt aber zwei Überlegungen, mit denen Sie für sich eine erste Antwort geben können:
– Je geringer Ihr Monatsgehalt ist, desto weniger Überstunden können mit Ihrem Monatsgehalt abgegolten werden. Fallen z.B. bei einem geringen Gehalt jeden Monat regelmäßig mehr als 20 Überstunden an, ist eine Überstundenabgeltung mit dem Monatsgehalt eher unwirksam.
– Wenn Ihre monatliche Arbeitszeit + den vereinbarten abgegoltenen Überstunden im Durchschnitt von jeweils 24 Wochen nicht über 8 Stunden je Werktag (= Montag bis Samstag) oder nicht mehr als 48 Stunden je Woche beträgt, ist eine Überstundenabgeltung mit einem üblichen Monatsgehalt eher wirksam. Das liegt daran, dass eine 48 Stunden Woche nach dem Arbeitszeitgesetz die gesetzlich zulässige regelmäßige Arbeitszeit ist; deshalb kann im Prinzip vereinbart werden, dass diese Arbeitszeit vollständig mit dem Monatsgehalt abgegolten ist. Aber eben nur im Prinzip; ein geringes Monatsgehalt kann auch in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis führen.

⇒ Wie müssen Überstunden bezahlt werden?

Es ist möglich, dass für die Abgeltung von Überstunden Freizeitausgleich statt Bezahlung vereinbart wird. Wenn es diese Vereinbarung nicht gibt, müssen Überstunden zunächst einmal mit dem normalen Stundenentgelt bezahlt werden.
Es gibt keine generelle gesetzliche Pflicht, für Überstunden darüber hinaus Zuschläge zu zahlen. Im AV, einer BV oder einem TV können aber Zuschläge geregelt sein.
Wenn es keine Regelung zu Zuschlägen gibt, kann es einen Anspruch auf die Zahlung von Zuschlägen gegen, wenn es üblich ist. Es gilt dafür dasselbe, wie oben bei der Bezahlung von Überstunden.
Besondere Regeln gelten für die Bezahlung von Überstunden bei Teilzeitarbeit, dazu
> Überstunden Teilzeit – Wann muss ein Zuschlag gezahlt werden?

⇒ Die Entscheidgung zum Fall

In der ersten und zweiten Instanz (Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht) wurde die Klage abgewiesen, in der dritten Instanz beim BAG gewann der Gewerkschaftssekreätär den Prozess. Das BAG hat dem Gewerkschaftssekretär Recht gegeben, weil die Formulierung „die regelmäßig Überstunden leisten“ nicht klar und nicht verständlich war. Es hat hier also dieselben Überlegungen angestellt, die für die oben genannte Formulierung sind mit dem Monatslohn abgegolten gelten.

Mehr Arbeitsrecht unter > Arbeitsrecht: Allgemeine Grundlagen, konkrete Themen