Eingliederungsmanagement und Mitbestimmung des Betriebsrates

Inhaltsverzeichnis

Thema ist die Mitbestimmung des Betriebsrates beim betrieblichen Eingliederungsmanagement(BEM).

⇒ Ist ein BEM Pflicht? Was gilt allgemein für die Mitbestimmung?

Ein BEM ist in § 167 Absatz 2 des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX) geregelt. Arbeitgeber sollen es durchführen, wenn Mitarbeiter mehr als 42 Tage innerhalb von 12 Monaten arbeitsunfähig gewesen sind.
Das BEM spielt also nicht nur bei einer Schwerbehinderung eine Rolle! Die 42 Arbeitsunfähigkeitstage müssen nicht zusammenhängend aufgetreten sein, und sie müssen auch nicht in einem Kalenderjahr angefallen sein. Arbeitgeber müssen kein BEM durchführen. Unterlassen sie es, müssen sie aber bei einer krankheitsbedingten Kündigung beweisen, dass die Kündigung auch mit einem BEM unvermeidbar gewesen wäre.
Ein Betriebsrat hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz, darunter fällt auch das BEM. Im öffentlichen Dienst und bei kirchlichen Arbeitgebern gilt das BetrVG nicht. Dort gibt es Personalvertretungsgesetze (PersVG) beim Bund und in den Bundesländern bzw. ein Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) in der ev. Kirche und eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) in der kath.. Es gelten ähnliche Regelungen wie im BetrVG, sie unterscheiden sich aber im Detail.
Gibt es keine Einigung mit dem Betriebsrat über ein BEM, entscheidet eine Einigungsstelle. Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat dort auch nicht, entscheidet die Einigungsstelle durch einen Spruch. Arbeitgeber und Betriebsrat können gegen den Spruch beim Arbeitsgericht klagen.
Zur Einigungsstelle > Einigungsstelle Verfahren
Das BetrVG regelt allerdings nicht, wie weit die BEM Mitbestimmung des Betriebsrates reicht.

⇒ Dazu ein Fall

Eine Einigungsstelle hatte durch Spruch entschieden: Zur Durchführung eines BEM sollte ein Integrationsteam gebildet werden. Die Mitglieder sollten jeweils ein Vertreter des Arbeitgebers, des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung sein. Dieses Team sollte mit betroffenen Mitarbeitern Gespräche über die gesundheitlichen Probleme und Ursachen führen, und es sollte Maßnahmen und mögliche Lösungen entwickeln. Das Integrationsteam sollte auch den Erfolg von Maßnahmen überprüfen.
Der Arbeitgeber klagte gegen diesen Spruch. Er verlor den Prozess in der ersten Instanz, er gewann in der zweiten. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) als dritte Instanz gab dem Arbeitgeber recht und erklärte den Spruch für unwirksam.

⇒ Die Entscheidung

Das BAG urteilte: Der Betriebsrat hat zwar ein Mitbestimmungsrecht, und dieses Recht beinhaltet auch, initiativ ein BEM zu verlangen.
Zum sog. Initiativrecht des Betriebsrates bei der Mitbestimmung vgl. > Erfassen der Arbeitszeit
Der Betriebsrat kann nach dem BAG aber nicht die Bildung eines Integrationsteams verlangen, dem alle Aufgaben übertragen werden. Dafür benötigt er die Zustimmung des Arbeitgebers, und ein Spruch der Einigungsstelle kann diese Zustimmung nicht ersetzen.
Der Betriebsrat kann auch nicht verlangen, dass auf jeden Fall ein Betriebsratsmitglied am BEM Prozess teilnimmt. Vielmehr kann jeder Mitarbeiter entscheiden, ob bei den Gesprächen der Betriebsrat teilnimmt oder nicht. Ein Spruch einer Einigungsstelle kann daher auch nicht über die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an den Gesprächen entscheiden.

⇒ Resümee, mögliche Konsequenzen

Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass Arbeitgebern keine Organisation aufgezwungen werden kann, die Entscheidungen einem Team überträgt. Die Logik dahinter ist der Grundsatz, dass Arbeitgeber die Kosten jeder Organisation tragen, und sie daher entscheiden können, welchen Aufwand sie für sinnvoll halten und welchen nicht.
Die Entscheidung stellt weiter klar, dass Arbeitnehmer gerade auch bei für sie sensiblen Themen wie Gesundheitsdaten mitentscheiden können, wer von den Daten erfahren soll und wer nicht.
Jenseits der gesetzlich vorgeschriebenen Mitbestimmung kann ein BEM auch durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung geregelt werden. Der Inhalt einer freiwilligen Betriebsvereinbarung kann nicht durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt werden. Mitarbeitern muss auch bei ihr das Recht zugestanden werden, eine Teilnahme des Betriebsrates in einem BEM – Prozess ablehnen zu können.
Für eine freiwillige Vereinbarung, die sich auf die Ziele konzentriert, ohne ein „bürokratisches Monster“ zu schaffen, spricht Einiges, gerade auch Rechtssicherheit. Denn wenn ein BEM keine Lösungen entwickeln kann, die Krankheitszeiten reduzieren, kann dies zu einer Kündigung der Mitarbeiter wegen unzumutbar hoher Fehlzeiten führen. Kommt es dann zu einem Prozess, erhöht ein geregeltes BEM die Chancen für Arbeitgeber.
Hinweise zur praktischen Umsetzung eines BEM:
> Das betriebliche Eingliederungsmanagement im Kündigungsschutzprozess